Beitrag Ingo Theissen – Graf Schweinitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Mandant mit Rechtsschutzversicherung – nur bedingter Mandatsauftrag!

Im Rechtsstreit beim Amtsgericht Schwelm mit dem Az. 20 C 71/19 ging es darum, dass ein Anwaltsbüro ca. 2.400,00 € von einem früheren Mandanten verlangte.

Es verwies darauf, im Zusammenhang eines Immobilienerwerbs sei man beauftragt worden, eine rund dreiseitige Mängelliste zum Zwecke der Kaufpreisminderung und zur Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens zu bearbeiten, an die Gegenseite zu übermitteln und die Minderung durchzuführen.

Zusätzlich sei man beauftragt gewesen, für die außergerichtliche Interessenvertretung an den zuständigen Rechtsschutzversicherer eine Deckungsanfrage zu übermitteln und dabei den wirtschaftlichen Wert von 70.000,00 € zu benennen.

Die Deckungsanfrage an den Versicherer wurde am 10.10.2018 übermittelt.

Ursprünglich erfolgte keine Deckungszusage; vielmehr gab es diverse Rückfragen der Versicherung und erst mehr als 3 Monate nach der Deckungsanfrage übermittelte die Rechtsschutzversicherung dann am 30.01.2019 Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenvertretung und das Beweissicherungsverfahren.

Nur vor Zugang der Deckungszusage war das Anwaltsbüro tätig; nach dem 30.01.2019 (Zugang der Deckungszusage) wurde seitens der Anwälte keinerlei Arbeit mehr veranlasst.

Nun verlangten die Anwälte mehr als 2.400,00 € vom Beklagten.

Dieser seinerseits verwies darauf, die Mitteilung der Rechtsschutzversicherung und die Bitte um Deckungsschutz beinhalte eine aufschiebende Bedingung hinsichtlich des Hauptmandates, also der Interessenvertretung wegen der Mängel und der Beweissicherung.

Das Amtsgericht hielt unter anderem fest:

Dem Anwaltsbüro stehe eine Gebühr von 1,3 aus 70.000,00 €, zuzüglich gesetzlicher Nebenkosten, zu.

Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagtenseite behaupte, Tätigkeit nach außen hin sei aufgrund des Anwaltsvertrages überhaupt nicht erfolgt. Irrelevant sei insoweit auch, dass nach erteilter Deckungszusage keine Tätigkeit mehr stattgefunden habe.

Kern der amtsgerichtlichen Entscheidung war:

„Zwischen (dem Anwaltsbüro) und dem Beklagten ist ein Mandatsverhältnis, gerichtet auf die Minderung des Kaufpreises der erworbenen Immobilie, zustande gekommen. Dies ist unabhängig von der Frage, ob das Mandatsverhältnis unter die aufschiebende Bedingung einer Deckungszusage gestellt wurde oder nicht. Denn unstreitig wurde die Deckungszusage am 30.01.2019, somit vor Beendigung des Mandatsverhältnisses durch die Mandatskündigung am 16.02.2019, erteilt.

Der Beklagte ging in die Berufung.

Das Landgericht Hagen, Az. 7 S 105/19, änderte das amtsgerichtliche Urteil und wies die Klage des Anwaltsbüros insgesamt ab.

„Ein Zahlungsanspruch folgt insbesondere nicht aus einem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne der §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB.

Zwar ist zwischen den Parteien ein (aufschiebend bedingter) Anwaltsdienstvertrag, gerichtet auf die außergerichtliche und gegebenenfalls gerichtliche Geltendmachung von Mängeln an dem (vom Beklagten) erworbenen Eigenheim zustandegekommen.

Die mit der Klage verlangte Geschäftsgebühr nach dem RVG für eine außergerichtliche Tätigkeit ist jedoch nicht angefallen. …

Im Ausgangspunkt verhält es sich so, dass auch ein Anwaltsdienstvertrag durch übereinstimmende Willenserklärungen im Sinne eines Angebots und einer Annahme … gegebenenfalls auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommt (mit weiteren Nachweisen).

Nach diesen Kriterien hat das Amtsgericht zutreffend erwogen, dass (das Anwaltsbüro) … anwaltlich beauftragt worden ist, außergerichtliche und sodann gegebenenfalls gerichtlich … Minderungsansprüche … zu verfolgen. Der erteilte Auftrag hat sich entgegen der Auffassung (der Beklagtenseite) zunächst nicht allein in der Einholung einer Deckungszusage erschöpft.

… Im Streitfall hat (das Anwaltsbüro) … unstreitig im Oktober und November 2018 … mandatswesentliche Informationen für eine umfassende Geschäftsbesorgung entgegengenommen. Jedoch ist hier entscheidend in den Blick zu nehmen, dass (das Anwaltsbüro) zu dem Zeitpunkt, als (es) die grundsätzlich eine Geschäftsgebühr auslösenden Tätigkeiten entfaltet hat, noch keinen unbedingten Auftrag zur Geschäftsbesorgung erhalten hatte, der aber weitere Voraussetzung für den Anfall der Gebühr ist (vergleiche OLG München, Urteil vom 16.03.2011 – AZ 15 U 4263/10, nach Juris).

Vielmehr war der Mandatsauftrag aufschiebend bedingt, so dass (das Anwaltsbüro) gehalten war, eine außergerichtliche sowie gerichtliche Tätigkeit erst dann zu entfalten, wenn die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers … vorlag. Dieser Umstand ergibt sich in unmissverständlicher Weise unter anderem aus der E-Mail …, mit der (die Beklagtenseite) erklärte, als nächstes bei positiver Deckungsanfrage ein Beweissicherungsverfahren durchführen zu wollen. Darüber hinaus gilt ohnehin, dass bei einem Hinweis des Mandanten auf eine Rechtsschutzversicherung, verbunden mit der Bitte, eine Deckungszusage einzuholen, davon auszugehen ist, dass zunächst nur ein unbedingter Auftrag für die Einholung der Deckungszusage und (nur) ein aufschiebend bedingter Auftrag im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB für die weitere Vorgehensweise besteht, wenn sich nicht aus besonderen Umständen etwas anderes ergibt (vergleiche OLG Hamburg, Urteil vom 06.06.2008 – AZ 11 U 166/07, in: Beck RS 2009, 22069; OLG München, Urteil vom 16.03.2011 – AZ 15 U 4263/10; LG Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2017 – AZ 20 S 76/17 …). Solche besonderen Umstände sind hier von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten (klagenden Partei = Anwaltsbüro) (vergleiche Ellenberger in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, Einführung vor § 158, Rn. 14, n.w.N.) weder vorgetragen worden, noch sind diese sonst ersichtlich. …“